AUFTRITT Zum zweiten Mal Kammermusik im Ulrichsgymnasium in Norden
NORDEN/ISH– Cedric Janssen spielt gleich zwei Blockflöten auf einmal, Hjordis Klinges Finger rasen über das Klavier, als läge Feuer auf den Tasten. Noten legt sie erst gar nicht auf den dafür vorgesehenen Ständer. Für Oscar Janssen sind Noten ebenfalls überflüssig.

Der junge Mann greift mal eben nach seiner Geige, die er auf dem Flügel geparkt hatte, fidelt, was das Zeug hält, als sei es nichts, packt das Instrument zurück auf den Flügel und setzt sich, ohne dass man ihm eine Anstrengung angemerkt hätte, wieder still in die Reihen.
Das Publikum bekommt allerhand geboten „außerhalb der großen Events“, wie es Musiklehrerin Frauke Stenger formuliert. Es ist das zweite Mal, dass sie mit Schülern und Schülerinnen und jenen jungen Erwachsenen, die erst unlängst die Schule verlassen haben, zur Kammermusik im Ulrichsgymnasium (UGN) eingeladen hat. Die Schule, die ihre „großen Events“ einmal im Jahr beim Musical kurz vor den Sommerferien hat, wo ganz viele hinaus aus den Schülerrollen hinein in Theater- und Gesangsrollen rutschen und Seiten zeigen, die weder Lehrer noch Eltern bisher von ihnen kannten.
Aber tatsächlich gibt es wohl gerade auf der musikalischen Seite (oder besser Saite?) noch einiges mehr als „nur“ Musicalrollen. Klassik und Ragtime, Rock und Pop versprach Frauke Stenger im großen Musiksaal des UGN – und die jungen Musiker lieferten. Und das auf beachtlichem, sehr beachtlichem Niveau.
Emilija Radenkovic traute sich, in ihrer Muttersprache zu singen: Und auchwenn fast niemand aus dem Publikum den serbokratischen Text verstanden haben dürfte – dass es sehr gefühlvoll gesungen war, das spürte jeder. Wie sie überhaupt alle eben nicht einfach nur konzentriert und fokussiert waren, egal ob mit Klarinette oder Flöte, an der Geige, am Klavier oder am Xylofon, sie musizierten mit Leidenschaft und Herz, tauchten ab in die Musik und nahmen die Zuhörer im gut besetzten Saal gleich mal mit.
Hin zu Schubert und Clayderman, zu Bach und Mozart, aber eben auch zu zeitgenössischen Klängen. Cedric Janssens „Delaying“ von Annette Ziegenmeyer bekam nicht nur einen Sonderapplaus, weil der junge Mann dank moderner Technik sich selbst auf der Flöte „nachspielen“ konnte, sondern eben zwischenzeitlich gleich zwei Blockflöten bespielte. Da war auch Fingerakrobatik der besonderen Art gefordert, schon, um keines der Instrumente fallen zu lassen.
Sonderapplaus gab’s indes auch für nahezu alle anderen jungen Damen und Herren, die sich zutrauten, in dem etwas kleineren Rahmen aufzutreten. Manche Namen sind mittlerweile nicht nur „Insidern“ bekannt, andere wird man vermutlich spätestens im nächsten Musical der Schule im Programmheft wiederfinden.
Bei der Kammermusik zeigten sie allesamt, dass sie „richtig was drauf haben“. Am Klavier gab’s schon mal musikalisches Gewitter und am SchlussgarnocheineSchlacht, Humorvolles und Ernstes, Besinnliches und Verträumtes – eine perfekte Stunde, um mit abwechslungsreicher Musik gedanklich ein Weilchen abzutauchen. Da wurde am Ende von allen Seiten gern der ein oder andere Euro gespendet, um dem musikalischen Nachwuchs demnächst einen adäquaten Klavierhocker finanzieren zu können. Denn die Lösung mit zwei übereinandergestapelten Kunststoffstühlen soll eben doch nur eine Übergangslösung sein...

Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 05.03.2019, Seite 4.