Das Musicaltheater des Norder Ulrichsgymnasiums ist nach Einschätzung des Schulleiters Wolfgang Grätz zu einer „festen kulturellen Veranstaltung“ in der Küstenstadt geworden. Am Mittwochabend feierte das neue Stück „All shook up“ eine rauschende Premiere. Alle Beteiligten zeigten enormes Engagement und bewiesen viel Herzblut. Im Mittelpunkt des Spektakels steht ganz viel Elvis Presley-Musik

Von der ersten Minute an geht das Publikum mit
MUSICAL Musiktheater des Norder Ulrichsgymnasiums präsentiert „All shook up“ – Zwei Zugaben bei der Premiere. Einmal mehr großes Engagement aller Beteiligten. Ein Muss für Elvis-Fans.



NORDEN/ISH – Wenn sich eine der Hauptverantwortlichen in der Pause, so nach rund anderthalb Stunden, ein Gläschen Sekt gönnt und dazu eine Entspannungszigarette, die Schuhe ausgezogen die frische Luft genießend, dann muss es bis dahin schon mal ganz gut geklappt haben. Der Meinung waren die Zuschauer im Übrigen schon von der ersten Minute an. Der „Jailhouse Rock“ war noch gar nicht richtig angestimmt, da klatschten fast alle im Publikum schon fest mit. Keine Frage, das diesjährige Musical des Norder Ulrichsgymnasiums –„All shook up“ – ist eine überaus gelungene gemeinsame Party von Aufführenden und Zuhörenden.
Die Premiere war für alle Beteiligten schon rein temperaturtechnisch eine riesige Herausforderung. Im Saal nutzte mancher das Programmheft, um sich Luft zuzufächeln, weil die Hitze kaum auszuhalten war. Umso größer die Leistung all derer, die da im heißen Scheinwerferlicht drei Stunden auf der Bühne standen und musizierten und spielten, als gäbe es das Wort Hitze gar nicht. Und das in einer (gefühlten) Sauna.
Das Musical sei zu einem„festen kulturellen Ereignis geworden“, hatte Schulleiter Wolfgang Grätz in seinem Grußwort für das Programmheft geschrieben und die Bedeutung des alljährlichen Spektakels hervorgehoben, weil das Gemeinschaftsgefühl der riesigen Gruppe gestärkt werde. Zur gymnasialen Ausbildung müssten auch Aktivitäten gehören, die über das Unterrichtsangebot hinausgehen. Tatsächlich legen alle Beteiligten auch diesmal wieder ihr Herzblut in das 2016 zum 19. Mal organisierte Projekt. Das ist drei Stunden lang spürbar.

„All shook up“ ist vor allem ganz viel Elvis Presley-Musik, darum herum gebaut eine Musical-Komödie mit erwartungsgemäß nicht allzu tiefgreifendem Inhalt. Aber darauf kommt es nicht an, auch nicht darauf, ob beim ersten öffentlichen Auftritt mal ein Ton nicht stimmt, hier und da etwas nicht hundertprozentig zusammenpasst. Premiere eben. Was Jahr für Jahr beeindruckt, ist dieses Zusammenspiel unterschiedlichster Gruppen. Wie es gelingt, aus einzelnen völlig unabhängig voneinander beginnenden Arbeitsgemeinschaften, ein großes Ganzes zu kreieren. Und das ist einmal mehr top gelungen.
Da sind die selbstbewussten pfiffigen und mutigen Hauptdarsteller: bei der Premiere wunderbar frech und frisch Esther Bomhard als Natalie, verschmitzt und um keinenSpruch verlegen Hauke Ahrends als Chad, herrlich gewollt linkisch Renke Ahrends als Dennis. Dazu gehören die resolute Emilija Radenkovic als Sylvia, der anfangs absichtlich steife Thomas Erdbrügger als Jim und schließlich Hannah Meier, die Miss Sandra gekonnt hochnäsig verkörpert (allein Hannahs Mimik ist ein Hingucker). Nicht zu vergessen Tillmann Lüken (Dean) und Sophia Ackermann (Lorraine), die sich im Gegensatz zu allen anderen kreuz und quer Verliebten und Verschmähten sofort als junges Liebespaar gefunden haben und, kaum haben sie einander an den Händen gefasst, beschließen, aus der gewohnten Spießerwelt abzuhauen.
Sie alle spielen vor klug aufgebautem und toll entworfenem Bühnenbild. Dank des Drehelementes in der Mitte sind zusätzliche Variationen möglich – auch im Publikum: Oooh und Aaah, wenn das Motorrad sichtbar wurde, Gelächter, wenn „Bus“ und „Auto“ auftauchten – scheinbar einfach, aber super und mit Witz gestaltet, die Bühne.



Rock n’ Roll, 50er-Jahre, USA – da denkt man vielleicht, jetzt geht es richtig ab auf der Bühne. Protestkultur, Aufstand auch in der Musik? Nicht ganz – das gibt die Geschichte dann doch nicht her. Die Musik ist mal fetzig, mal sehnsuchtsvoll, gern seicht und schmachtend – sie lebt von dem Elvis-Kult – und wer diese Musik mag, wird jeden der 23 Songs in vollen Zügen genießen.
Für manche Darsteller sind die Stücke echte Herausforderungen, und es ist schon echt klasse, wie selbstverständlich sich die jungen Leute diesen vor über 450 Zuschauern im Saal stellen. Da mögen noch so viele Bekannte, mögen Eltern und Freunde darunter sein: Auftritt ist Auftritt.

Fotos: Stromann

Und es sind oft Details, die zeigen, dass sich die Beteiligten den Stoff nicht einfach nur angeeignet, sondern bei der Gestaltung des Stückes durchaus eigene Akzente gesetzt haben. Wie ist es da zum Beispiel in Sylvias Honky-Tonk-Bar? Wo man sich abgehalfterte Kerle vorstellt, die in der verrauchten Kneipe herumhängen bei Schnaps und Bier? Huch, da sitzen Mädels, die diese Rollen spielen. Lässig die Zigarette im Mundwinkel, hocken sie mit ihren Spielkarten am Tisch. Keine schlechte Idee.
Wie auch der Einfall, ein Museum mit „echten“ Skulpturen zu präsentieren. Hut ab nicht nur vor denen, die da in nicht immer bequemer Haltung ausharren mussten – aus dem Saal heraus sah das schon echt klasse aus.
Dem Publikum wird drei Stunden lang eine große Show geliefert – dazu tragen auch die vielen „Randfiguren“ bei. Das sind neben den Bühnengestaltern im Hintergrund die Techniker, die die Grundlagen schaffen für die passende Stimmung auf der Bühne. Da sitzen Jim und Sylvia irgendwann auf der Bank unter der Laterne – und kommt es einem nicht so vor, als sei es tatsächlich ein romantisches tête-à-tête im schummrigen Licht irgendwo, aber nicht auf der Bühne der Oberschulaula?
Und klar – auch die Kostümnäherinnen gehören dazu, die die vielen Helden im Rampenlicht tatsächlich super ausgestattet hatten (die Röcke der Mädels, die Kostüme der „Skulpturen“und manches mehr), und natürlich die Mitglieder im Orchester und im Chor. Letzterer war vielleicht nicht so stark besetzt wie in den anderen Jahren, dafür aber prima zu hören, immer wieder unterstützte er die Solisten. Das sorgte für noch mehr Power auf der Bühne.
Am Ende, klar, gibt es, wie es sich für ein Stück dieserArt gehört, ein schnulzig schmalziges Happy-End. Na, nicht ganz. Einige Hochzeiten, aber auch Menschen, die andere Träume ausprobieren und leben möchten – und viele im Saal, die unter zwei Zugaben nicht nach Hause gehen. […]

Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 3. Juni 2016, Seite 5.