BILDUNG Ulrichsgymnasium will Schule ohne Rassismus und mit Courage werden
In einer AG setzen sich rund 30 Schülerinnen und Schüler für ein verständnisvolles Zusammenleben ein.

NORDEN/LIS – Sie sind 16, 17, 18 Jahre alt, kennen komische Blicke wegen des eigenen Körpers, Rechtfertigungen wegen der gelebten Religion oder gar Angriffe aufgrund von schwarzen Haaren und einem dunklen Teint. Viele der Schülerinnen und Schüler in der AG „Schule gegen Rassismuss – Schule mit Courage“ haben in ihrem jungen Leben selbst schon einmal erlebt, was Sexismus, Diskriminierung und Rassismus bedeuten, was das mit einem macht. Jetzt machen sie sich stark für ein neues, ein anderes Zusammenleben.
„Wir wollen jeden so nehmen, wie er ist“, erklärte Rama. „Man kann sich ja schließlich nicht aussuchen, mit welcher Nationalität man geboren wird, ob männlich oder weiblich“, ergänzte Sara. Die beiden jungen Frauen sind nur zwei von rund 30 Schülerinnen und Schülern des Ulrichsgymnasiums Norden (UGN), die sich für ein tolerantes, friedliches und couragiertes Miteinander einsetzen.
Anfang des Jahres waren sie nur zu sechst, seit April sind mehr und mehr Engagierte dazugekommen, um sich einmal in der Woche mit Themen wie Sexismus, Islam- und Judenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung auseinanderzusetzen. Seit einer Woche sind sie zudem Demokratiebotschafter – von der Historisch-Ökologischen Bildungsstätte (HÖB) Emsland ausgewiesen mit Zertifikaten und Unterschrift. Dafür haben sich die Schüler eine Woche lang in der HÖB in Papenburg genau damit befasst: Was ist Demokratie? Wo sehe ich mich selbst in diesem politischen Konstrukt? Wie lässt sich Diskriminierung abbauen? „Wir wollen nicht nur sagen, dass wir eine Schule ohne Rassismus und mit Courage sind, wir wollen aktiv etwas tun“, erklärten die Jugendlichen im KURIER-Gespräch.
Ein Ziel: Das Zertifikat zur „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ vom Verein Aktion Courage erhalten. Um dieses zu erreichen müssen die Schülerinnen und Schüler der AG insgesamt 70 Prozent aller am Gymnasium Arbeitenden, Lehrenden und Unterrichteten dazu bringen, sich gegen Rassismus und für ein couragiertes Miteinander auszusprechen. Das passiert zwar durch eine Unterschrift, aber „es soll auch etwas dahinter stecken“, erklärte Maurice, ebenfalls engagiert in der Gruppe. Deshalb sind Unterrichtseinheiten in Form von Workshops für die fünften Klassen entstanden, die darin zunächst die Begriffe erklärt bekommen. „Die Fünftklässler können ja mit Rassismus und Courage erst einmal wenig anfangen“, glaubt Lehrerin Fenna Campen, die zugleich Ideengeberin für die AG war. Deshalb wird mit möglichst einfacher Sprache erklärt, was und warum etwas diskriminierend, rassistisch oder sexistisch ist.
Campen hatte im Deutschunterricht die Begriffe Rassismus, Islam- und Judenfeindlichkeit, Sexismus und Diskriminierung ins Spiel gebracht und eine unterrichtliche Auseinandersetzung gestartet. Daraus entstand bei sechs Schülern der Wunsch, über diese Begriffe aufzuklären – zunächst mit einer einmaligen Plakataktion. Doch schon schnell war den sechs klar, dass das nicht ausreicht, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit verdient hat, mehr Aufmerksamkeit bedarf. „Wir sind hier 30 Leute, es gibt aber 1800 an der Schule und das Thema geht alle etwas an“, findet Maurice. Die AG war geboren.
Dass die Teilnahme zusätzliche Arbeit zur Folge hat, spielt bei den Jugendlichen keine Rolle. Sie wollen „sensibilisieren, aufklären“, sagte Sara. Aber nicht nur in den fünften Klassen, sondern möglichst in der ganzen Schule. Deshalb soll in den kommenden Wochen ein Baucontainer auf dem Schulhof bunt bemalt, mit Schriftzügen und Hinweisen für ein couragiertes Miteinander versehen werden. Ein Lied wird derzeit getextet und vertont. Es soll ein Imagefilm gedreht werden, der auf der Homepage der Schule eingestellt werden soll.
Die weitaus größte Aktion in diesem Schuljahr ist allerdings der „Wahlkampf“ für die „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Der ist in der Woche nach den Osterferien geplant. Denn die Bewerbung für das Zertifikat läuft – und soll, wenn alles nach Plan läuft, vor den Sommerferien verliehen und mit einem großen Fest gefeiert werden. Deshalb sollen möglichst alle am Gymnasium Tätigen in einer Informationswoche über die Begriffe wie Rassismus und Courage sowie die Ziele der AG aufgeklärt werden.
„Die Jugendlichen haben meine volle Unterstützung“, sagte Schulleiter Wolfgang Grätz und findet ihr Engagement „hervorragend“. Immerhin ist der Oberstudienrat seit mehr als 30 Jahren am Gymnasium tätig und hat viele Jahre mit ansehen müssen, wie die Schüler sich wenig politisch einbrachten. „Jetzt wird es mehr“, sagte er und freut sich, dass neben dem Thema Klimawandel Toleranz in den Fokus der jungen Menschen rückt. „Das ist Gold wert“, findet Grätz. Die Welt könne man nur gemeinsam verändern, dafür „müssen wir uns gegenseitig kennenlernen und dürfen keine Feindbilder haben“, glaubt der Schulleiter.

Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 14.09.2019, Seite 3.