VORTRAG Russischer Honorarkonsul Heino Wiese zu Gast im Ulrichsgymnasium Norden
Fragen zur Pressefreiheit in Russland, Berichte von Erfahrungen in Frankreich und das Verhältnis zu den USA waren unter anderem Thema des Vortrags.

NORDEN/ISH – Heino Wiese macht sich für Russland stark. Nicht nur, weil er als Honorarkonsul der Russischen Föderation tätig ist, nicht nur, weil ihm mit seiner Unternehmensberatungsfirma besonders an einen guten Verhältnis zwischen Russen und Deutschen gelegen ist, sondern weil er Land und Leute bei seinen zahlreichen Besuchen in dem Riesenland gut kennengelernt und viele Kontakte dort geknüpft hat. Der Mann weiß, wovon er erzählt. Eingeladen von Martina Jürgens und Johannes Thiele, beide Lehrer am Norder Ulrichsgymnasium (UGN), referierte er jetzt vor Schülern der Oberstufe.

In Seminarfächern beschäftigen sich die jungen Leute mit der Berichterstattung über Russland. Ist sie einseitig? Erfahren wir im Westen immer nur einen Teil der Wahrheit? Wiese erzählte von zwei Mitarbeiterinnen seiner Firma – eine verfolge russisches, eine westliches Fernsehen. „Russen sehen nur Bilder aus dem Irak, Amerikaner nur Bilder aus dem Syrienkrieg.“ Es gehe auf russischer wie auf amerikanischer Seite immer um Interessen. Zwar räumte Wiese ein, dass ein Mann wie Putin kein Demokrat sei („Ich würde ihm nicht vertrauen“), aber gab auch zu bedenken, dass die Amerikaner ihrerseits alles andere als zuverlässige Partner seien. Deren Krieg im Irak, der Einsatz der Nato im Kosovo sei nie kritisiert oder infrage gestellt worden.
Die Russen seien ein friedliebendes Volk, betonte Wiese, der besonders junge Menschen hierzulande für den Austausch mit jungen Russen gewinnen möchte. Er erzählte von seinen eigenen Erlebnissen als junger Mann in Frankreich bei der Pflege von Kriegsgräbern. Wie aus anfänglicher Ablehnung Freundschaft geworden sei. „Das muss auch mit Russland möglich sein.“ Selbst als Exportdirektor einer Modefirma und in anderen Funktionen seit Jahrzehnten in Kontakt mit verschiedenen Nationen beschrieb Wiese seine Erfahrungen mit einem Beispiel: dass Chinesen einen geschlossenen Vertrag einen Tag später schon vergessen hätten, Amerikaner zuerst nach den Zahlen fragten – ob sich das Ganze auch rechne. „Die Russen laden zum Abendessen. Wenn wir uns verstehen, machen wir das Geschäft.“ Die jungen Zuhörer in der Aula des UGN stellten im Anschluss an den lockeren Vortrag Wieses durchaus kritische Fragen. Wollten genauer wissen, wie Wiese die Situation auf der Krim beurteilte. Die Einwohner dort seien zu 80 Prozent für Russland, antwortete Wiese. Mit der Vokabel, die Annexion sei ein Völkerrechtsbruch, ging er vorsichtig um, verwies darauf, dass auch Aktionen des Westens, eben im Irak, im Kosovo, Völkerrechtsbrüche gewesen seien. „Aber das wurde nicht sanktioniert. Bei Russland aber wohl.“ Der Konsul verwies darauf, dass bedingt durch den Militärhafen Sewastopol eine besondere Situation auf der Krim gegeben sei. „Ich finde das Ganze tolerabel“, ergänzte er, wiederholt darauf hinweisend, dass es immer in erster Linie um Interessen gehe, die die jeweilige Seite verfolge. Das sagte er auch in Zusammenhang mit der Rolle Russlands in Syrien und gegenüber dem dortigen Machthaber Assad.
Wiese warb eindringlich dafür, insgesamt kritischer mit Informationen und Medien umzugehen: „In Russland, das weiß ich, gibt es viele Fake News, aber auch nicht alles, was bei uns gesendet wird, stimmt.“ Die Amerikaner fürchteten, dass Europa sich vielleicht zu sehr Russland andienen könnte. Die aktuelle Russlandpolitik Deutschlands verurteilte Wiese. Sanktionen wegen der Krimannexion seien der falsche Weg. Er versuchte, deutlich zu machen, dass Menschen in Russland aus einer anderen Tradition kämen, anders entwickelt seien. „Wir sitzen auf einem riesigen moralischen Ross“, beklagte er und warb schon deshalb eindringlich für einen intensiveren direkten Austausch zwischen Deutschen und Russen.
Die Norder Schüler gehen, was das anbelangt, mit gutem Beispiel voraus. Für das nächste Jahr sind Seminarfahrten nach Moskau geplant, wo auch eine Schule besucht und Kontakte geknüpft werden sollen.

Entnommen aus dem Ostfriesischen Kurier vom 28.10.2017, Seite 8.